Einwanderer zu sein

Eigentlich hätte mir das schon viel früher auffallen müssen, aber erst seit ich drei Tage die Woche im Norwegischkurs bin, fühle ich mich als Einwanderer. Lustigerweise habe ich mich in Island nie als Einwanderer gefühlt, auf jeden Fall nie so richtig. Aber seit ich mit lauter anderen Einwanderern die Schule besuche, fühle ich mich viel mehr wie einer von ihnen.

Was bedeutet es denn eigentlich, ein Einwanderer zu sein? Zuerst einmal viiiiiel Bürokratie… Vor allem am Anfang. Bis wir alles auf der Reihe hatten, eine norwegische Personennummer zum Beispiel, um ein Bankkonto zu eröffnen und einen Handyvertrag abschliessen zu können, gingen viel Zeit und Nerven den Bach runter (fast buchstäblich!).

Als zweites vor allem die vielen Unterschiede. Kulturell, sprachlich, essensmässig… Um ein Beispiel zu nennen: Die Norweger essen das Abendessen zwischen 16:00 und 17:00 und nennen es “middag”, aber “ettermiddag” (Nachmittag) ist die Zeit nach dem Mittagessen (“lunsj” sprich “lönsch”)… ?? “Etter” bedeutet “nach”, also wäre das doch eigentlich die Zeit nach dem Abendessen (“middag”), also so etwa 18:00. Ich würde die Zeit nach dem Mittagessen ja “etterlunsj” nennen, das würde für mich viel mehr Sinn ergeben 😉 Naja, es is(s)t, wie es is(s)t. Und nicht alles kann so schön logisch sein wie isländisch 😉 Dafür ist hier auch nicht alles so kompliziert wie isländisch 😉

Aber es gibt auch ganz viele Gemeinsamkeiten. Im Unterschied zu vielen anderen in meiner Klasse sind sich die Kulturen meines Heimatlandes und Norwegens recht ähnlich (und in manchen Gegenden sogar die Natur!). Und trotzdem ist es anders hier. Anders, aber nicht schlechter. Wir lernen die Kultur, Natur und die Menschen immer mehr kennen und schätzen, auch wenn vieles anders ist als “zu Hause”.

Das Trikolore unseres Haushalts (Norwegen-Island-Schweiz) ist allermeistens eine Bereicherung. Aber es gibt auch Zeiten mit Miss- oder Unverständnissen. Was nicht immer nur an der Sprache liegt. Manchmal denken wir einfach ganz verschieden. Aber wir lernen von- und aneinander. Und solange wir versuchen, zu verstehen, sind wir auf dem richtigen Weg.

Das Titelbild ist übrigens gestern entstanden, als Janne und ich versuchten, im Korpsgebäude ein Sofa vom dritten in den zweiten Stock zu zügeln. Das Sofa heisst offiziell “Willnicht” (auf norwegisch “vil ikke”) und hat sich auch dementsprechend verhalten. Es wollte eben nicht aus dem dritten Stock aus- bzw. in den zweiten Stock einwandern… 😉 Manchmal fühle ich mich auch ein bisschen wie “Willnicht”: Ein bisschen quer in der Landschaft und passe nicht so recht rein. Aber allermeistens macht es Spass ein Einwanderer zu sein! 🙂

Meine ersten Langlaufversuche

Vor einer Woche hatte ich die Möglichkeit, das erste Mal langlaufen zu probieren. Susann, eine Frau aus dem Korps, mit der ich auch auf dem Keipen war, hat mir Angeboten, mir zu zeigen, wie das geht. Sie hat mir auch Skier und Schuhe ausgeliehen.

So sind wir abends um halb acht los. Es war bereits dunkel, aber wir waren mit Stirnlampen ausgerüstet. Es hatte geradeso genug Schnee, aber teilweise schauten die Steine heraus. Da mussten wir aufpassen, nicht darüber zu fahren. Zu Beginn hatte ich ein paar Gleichgewichts-schwierigkeiten, aber ich fiel nur zweimal auf den Allerwertesten. Danach fand ich die Balance besser. Es ist gar nicht so schwierig! 🙂

Unterwegs haben wir ein kleines Feuer gemacht und sogar Würstchen gebrätelt! Susann hatte Feuerholz, Zeitung, Zündhölzer, Würstchen und eine ausziehbare Grillgabel dabei. Es war gemütlich, so am Abend im Wald zu sitzen.

Am nächsten Morgen habe ich zwar mein Popo ein wenig gespürt, aber ansonsten ging es mir sehr gut. Ich hoffe, dass wir bald wieder eine Skitour machen können. Schliesslich hat es jetzt endlich genug Schnee!

Der Tag der Samen

Heute, am 6. Februar, ist der Tag des Samenvolkes. Die Samen sind das Urvolk in Norwegen, Schweden, Finnland und Russland und unterscheiden sich in Kultur, Tradition, Religion, Sprache und Herkunft von den Staaten in welchen sie leben. Ihr Siedlungsgebiet wird “Sápmi” genannt.

Siedlungsgebiet der Samen
Quelle: Von File:BlankMap-Europe.png, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=53461

Sie lebten früher als Nomaden, heute sind die allermeisten sesshaft. Traditionellerweise haben sie sich durch Rentierjagd und -zucht, der Fischerei und Landwirtschaft ernährt. Noch heute betreiben einige Samen Rentierzucht und leben vom Verkauf der Produkte.

Lange Zeit wurden die Samen unterdrückt und ausgebeutet. Sie erhielten keine Schulbildung, mussten Abgaben und Steuern bezahlen, durften ihre Sprache nicht sprechen und ihre Kultur und Religion nicht ausüben. Am 6. Feburar 1917 wurde die erste samische Konferenz eröffnet, die sich für die Rechte der Samen einsetzte. Aber erst 1979 machte ein Hungerstreik zur Verhinderung eines Dammbaus, der ein samisches Dorf unter Wasser gesetzt hätte, die Anliegen der Samen in der Öffentlichkeit bekannt.

Ab 1979 ging es dann langsam aber sicher aufwärts mit dem Samenvolk. 1986 erhielten sie eine eigene Flagge, 1992 wurde der 6. Februar als “Tag der Samen” bestimmt und ab 1993 jedes Jahr mit einer Feier begangen.

Die samische Flagge
Quelle: https://www.norwegenservice.net/wp-content/uploads/2014/02/Samische-Flagge.png

Die samische Flagge ist auf den Farben der Kofte (sprich “Kufte”) basiert. Die Koften sind die Trachten der Samen. Jede Region hat ihre eigene Kofte, ähnlich wie in der Schweiz jede Region ihre eigene Tracht hat.

Es existierten viele verschiedene samische Sprachen, aber durch ein Verbot, samisch zu sprechen, wurden viele Sprachen fast oder ganz ausgerottet. Die heute noch verbreiteten Sprachen sind Nordsamisch (ca. 17’000 Sprecher), Südsamisch (ca. 700 Sprecher), Lulesamisch (ca. 800 Sprecher), Kildinsamisch (ca. 650 Sprecher), Skoltsamisch (ca. 400 Sprecher), Enaresamisch (ca. 300-400 Sprecher), Umesamisch, Pitesamisch und Tersamisch (jeweils ca. 10-20 Sprecher). Die letzte Sprecherin des Akkalasamischen ist 2003 verstorben. Es soll aber noch mindesten zwei Personen mit passiven Sprachkenntnissen geben.

Verbreitung der samischen Sprachen
Quelle: https://cdn.sanity.io/images/hiwmnoae/live/34d783d82f93b84bd1e0ce11ef456379042b2081-866×584.png?w=1000

Auch das Joiken ist typisch samisch. Es ist eine Art zu singen, die ein klein wenig dem Jodel gleicht. Im Gegensatz zum Jodel hat Joiken aber ein Text mit Bedeutung. Traditionell wird das Joik wenn überhaupt dann nur von einer Trommel begleitet. Erst in neuerer Zeit finden sich Künstler, die es mit verschiedenen Instrumenten kombinieren. Hier findest du ein Beispiel:

Das Bewusstmachen der samischen Volksgruppe und deren Geschichte ist den Norwegern sehr wichtig. In jeder Gemeinde und Stadt gibt es Feierlichkeiten und Festanlässe, die heuer meist digital stattfinden. Hier in Harstad gibt es während den nächsten zwei Wochen verschiedene Anlässe, unter anderem auch ein Gottesdienst in der Kirche.

Während es lange Zeit mit Nachteilen und Scham verbunden war, sich als Same zu bekennen, liegt heute darin ein gewisser Stolz auf Kultur und Tradition.

Das Titelbild ist diesmal das einzige, das ich selbst geschossen habe. Es zeigt die samische Flagge auf dem Ratshausturm in Harstad.

Und zum Schluss noch ein Fun-Fact:
Die Samen dienten als Vorbild für “Kristoff” einer der Hauptcharaktere in Frozen 2. Einige Menschen in den USA protestierten dagegen, dass Kristoff weiss und blond war. Schliesslich war er ja ein Ureinwohner und musste daher dunkle Haut haben 😉 Die Samen sind mit dem Aussehen von Kristoff sehr zufrieden.

Links der originale Kristoff und rechts, wie er nach der Meinung einiger Leute in den USA ussehen müsste.
Quelle: https://knowyourmeme.com/memes/events/disneys-frozen-whitewashing-controversy