Isländische Mentalität

Was ist denn eigentlich so anders an den Isländern? Hm… Wie bereits angesprochen haben sie einen ziemlich schwarzen Humor, sind sehr viel unpünktlicher als Schweizer und nehmen alles etwas gemütlicher. Sie sind viel spontaner als Schweizer. Zum Beispiel helfen Lára und ich in der Band für den Lobpreisabend mit und niemand, ich wiederhole: absolut NIEMAND, hatte ein Problem damit, diese Woche vier (!) Bandproben zu haben! Das wäre in meinem Umfeld in der Schweiz schlicht unmöglich. Und die Proben dauern nicht etwa eine oder zwei Stunden, nein, die kürzeste war drei, die längste fünfeinhalb (!) Stunden. Zugegeben, da waren noch Pausen und Essen dazwischen, aber trotzdem. Es sind ziemlich unstrukturierte Proben, weil alle lieber sonst etwas auf den Instrumenten spielen und ausprobieren anstatt miteinander zu proben. Naja, ich helfe ja nur für diesen einen Lobpreisabend aus.

Gestern Abend habe ich die allerersten Polarlichter in meinem Leben gesehen!! Es war wunderschön! ? Sie waren anscheinend ziemlich stark und grün. Ich war total fasziniert, auch wenn sie nicht so aussahen wie auf Fotos. Die drei Isländer, die dabei waren (Ísak, Kristjana und Lára) sagen, dass alle Abbildungen von Polarlichtern mit Photoshop bearbeitet sind, in Realität sind sie nie so stark. Es war trotzdem sehr eindrücklich und ich bin fasziniert, wie kreativ unser Schöpfer ist! Während wir in eisigem Wind die Polarlichter bestaunten, fror Kristjana sehr und Ísak, ihr Freund, zog kurzerhand seine Fleecejacke aus, um sie ihr zu geben. So stand er nur noch im T-Shirt da. Ein Isländer eben… ? Zugegeben, Kristjana und Lára sind auch Isländerinnen und haben trotzdem gefroren. Egal…

Polarlichter über Reykjavík. Es ist sehr schwierig gute Fotos zu machen. Lára hat es mit ihrer Handykamere versucht. Danke, Lára!

Gestern habe ich die “Harpa” besucht, ein Glasgebäude für kulturelle Anlässe. Es befinden sich Konzertsääle, Kinos, Räume zum mieten, ein Restaurant oder Café (bin nicht ganz sicher, ich war nicht drin, da die Preise ungeheuerlich waren), viele Angebote für Touristen und Souvenirshops darin. Das Gebäude ist schön anzusehen, aber alles darin war überteuert und seeeehr touristisch.

Die “Harpa” von aussen…
… und von innen 🙂

Auch bin ich gestern ziemlich viel Bus gefahren und habe etwas mehr von der Stadt gesehen. Mein Ziel war die Brocki (Hertex), um mir eine warme Winterjacke zu kaufen. Leider wurde ich nicht fündig. Ja, im Moment haben wir in Reykjavík “gluggaveður” (Fensterwetter). Dem sagt man so, weil es von drinnen schön anzusehen ist, wenn man aber draussen ist, merkt man, dass der Schein trügt. Oft weht ein eisiger Wind, der den ganzen Sonnenschein zunichte macht.

Mit diesen gelben Stadtbussen “Strætó” gennant, sind wir viel gefahren
“Gluggaveður”: von innen schön anzusehen, draussen nicht mehr ganz so angenehm…

Ah, mein Thema in diesem Beitrag ist ja die isländische Mentalität. Was gibt es dazu noch zu sagen? Sie mögen Ausländer nicht besonders (aber ich bin in Ordnung, hat man mir gesagt ?), sind stolz auf ihre Sprache und ihre Spezialitäten (Schafskopf, Innereienwurst, fermentierter Hai… Bis jetzt hatte ich noch nicht die Gelegenheit, sie auszuprobieren) und legen viel Wert darauf, dass sie als friedliches Volk wahrgenommen werden. Eine kleine Geschichte dazu: England hat versucht, in isländischen Gewässern zu fischen. Da die Isländer zu dieser Zeit noch keine Küstenwache hatten, schickten sie Boote mit riesigen Scheren aus, um die Netze der englischen Fischerboote zu durchschneiden. So haben sie sich ihr Territorium zurückerobert. Wir nennen es passiv-aggressiv ?

Ja, die unstrukturierten Bandproben haben den Vorteil, dass ich ziemlich viel über Land und Leute lerne. Das ist es durchaus wert.

Ein Geschenk von Ingvi, dem Offizier von Reykjavík: Eine Kinderbibel in isländisch 🙂

Viele neue Leute und Eindrücke

In der Heilsarmee Reykjavík auszuhelfen, bringt viele neue Bekanntschaften mit sich. Das ist einerseits schön, andererseits nimmt es mir ziemlich viel Energie… Auch das Kennenlernen der Programme und der Abläufe braucht Aufmerksamkeit und ist anstrengend. Ich bin in einem Dauerzustand von Müdigkeit, obwohl ich darauf achte, genug zu schlafen. Da ich eine eher introvertierte Person bin, fällt es mir schwer, meine Batterien zu laden, wenn ich ständig unter Leuten bin. Nichtsdestotrotz gefällt es mir hier in Reykjavík und ich finde es super, was die Heilsarmee alles anbietet. Im Moment ist die Heilsarmee in einem Einkaufszentrum einquartiert und das ist genial, weil viele Leute vorbeigehen, hereinschauen oder auch hereinkommen. Daher sind die Programme auch eher offen gehalten. Oft kann man einfach dazustossen, Spiele spielen, “gesprächlen” oder Kaffee trinken. Da die Heilsarmee viele Nahrungsmittelspenden erhält, gibt es immer etwas zu essen. Verhungern werden wir ganz sicher nicht! ?

Hausaufgabenhilfe

Was sicher auch dazu beiträgt, dass ich sehr müde bin, ist die Sprache. Noch verstehe ich nicht genug, um mich an einem Gespräch zu beteiligen und ich versuche, zumindest Wortfetzen aufzuschnappen. Heute Abend werde ich in der Jugendgruppe einen Gedanken teilen und am Sonntag noch einmal etwas aus meinem Leben erzählen. Da kann ich zwar englisch sprechen, das macht es aber nicht viel einfacher… Naja, es wird auf jeden Fall gehen ?

Lou ist müüüüüde… (Foto Lára)

Wieder mal in Reykjavík

Seit Freitag bin ich wieder in Reykjavík. Zuerst an einem territorialen Jugendwochenende mit Jugendlichen aus Norwegen und Island, insgesamt ca. 20 Leute. Das Thema war “Zeit mit Gott” und wir haben uns mit Gottes ursprünglicher Idee von uns Menschen und unserer Berufung, mit ihm in eine Beziehung zu treten, auseinandergesetzt. Das war sehr spannend!

Am Sonntagnachmittag sind die Teilnehmer aus Akureyri und Norwegen wieder nach Hause gefahren. Lára und ich bleiben noch eine Woche in Reykjavík, um die Heilsarmee hier zu unterstützen. Heute Morgen fand ein Nähatelier statt, in dem Frauen aus sozial schwachen Verhältnissen die Möglichkeit haben, sich mit Taschen nähen Geschenkkarten für Lebensmittelgeschäfte zu verdienen. Die Frauen sind sehr dankbar für diese Möglichkeit, auch weil sie dadurch ein gewisses Mass an Selbstständigkeit und Freiheit erlangen. Es sind vor allem Frauen aus muslimischen Ländern, die als Einwanderer in Island leben. Die Stofftaschen werden an Grossverteiler verkauft, welche sie gratis an die Kundschaft abgeben. September ist in Island plastikfrei (auf freiwilliger Basis) und einige Grossverteiler helfen aktiv mit. Unsere Aufgabe war es, uns mit den Kindern der Frauen aus dem Nähatelier zu beschäftigen. War lustig, auch wenn die Kommunikation eher schwierig war, weil sie weder isländisch noch englisch sprachen… Zum Mittagessen wurden wir mit marokkanischem Essen verköstigt 😀

Solche Taschen nähten die Frauen
Lára spielt mit einem Kind, während seine Mutter Taschen näht

Weiter gehts heute mit “Heimilasambandið” (Heimbund), Salutistenkurs und Probe für den Lobpreisabend am Samstag. Dann fallen wir wahrscheinlich totmüde ins Bett.

Mein Zimmer in Reykjavík

Isländische Geschichten

Anlässlich des Jugendwochenendes in Reykjavík haben wir gestern Nachmittag eine Sightseeing-Tour mit dem Car gemacht. Unser Reiseführer, ein Freund von Hannes (dem Offizier von Akureyri, der ganz nebenbei auch noch sämtliche Fahrzeuge auf diesem Planeten fahren darf und somit unser Carchauffeur war), erzählte uns unterwegs diverse isländische Geschichten, die einen glaubwürdiger, die anderen eher fantasievoll 😉 Ich gebe dir hier eine kleine Kostprobe. Die Bilder folgen, sobald ich wieder in Akureyri bin und Zugang zu meinem Laptop habe…

Unser Car
Wir hatten viiiiel Platz und eine Menge Spass im Car 😀
Hannes, Offizier von Akureyri und Chauffuer aller möglichen Fahrzeuge
Drea als “Reiseleiterin” 😉 Sie liebte es ins Mikrophon zu sprechen, daher hat sie alle Geschichten, die ihr unserer richtiger Reiseleiter erzählt hat ins Mikrophon gesprochen

Die erste Geschichte handelt von einem Bauer, der jeden Sonntagmorgen auf einen Berg kletterte, um das Wetter für die nächste Woche vorauszusagen. Natürlich war er als Bauer stark auf das Wetter angewiesen und so wurde er zum “Wetterfrosch” der ganzen Umgebung. Ob seine Prognosen eintrafen oder nicht, sei dahingestellt…

Auf diesen Berg kletterte der sportliche Bauer jeden Sonntagmorgen

Die zweite Geschichte lautet folgendermassen:
Der erste Norweger, der Island dauerhaft besiedelte, lebte zuerst zwei Winter lang im Schutz eines Berges, bevor er nach Reykjavík zog. Sein Name war Ingolfur. Dies ereignete sich um das Jahr 894 herum. Vor ihm besiedelten bereits irische Mönche die Insel und als dann mehr norwegische Vikinger die Insel betraten, brachten sie die Mönche um, weil diese Christen waren und die Vikinger an die nordischen Götter glaubten.

Unter diesem Berg wohnte Ingolfur zwei Winter lang

Dritte Geschichte:
Um das Jahr 1920 erhielt der Landbesitzer des Wasserfalls Gullfoss (sprich: Gütlfoss) ein lukratives Angebot englischer Investoren, welche die Kraft des Wassers für die Stromproduktion nutzen wollten. Der Landbesitzer wollte ihnen den Wasserfall verkaufen. Doch seine Tochter drohte ihm, sich in die tosenden Fluten des Gullfoss zu stürzen, wenn er es wagen würde, das Land zu verkaufen. Der Landbesitzer liess sich umstimmen. Dank seiner Tochter können wir heute noch diesen eindrucksvollen Wasserfall besichtigen.

“Gullfoss” der “güldene Wasserfall”
Es war seeeehr windig beim Gullfoss! Und kalt *brrrrr* Aber wir hatten trotzdem unseren Spass 😀
von links nach rechts: Erla, Lou, Lára, Ollý und Ludwig (Foto Lára)

Die vierte Geschichte ist eine Liebesgeschichte und geht so:
Ein Mann, der mit dem Gesetz diverse Male in Konflikt geraten war, verliebte sich in die Tochter des Polizisten. Da seine Liebe von ihr erwidert wurde, holte er sie eines nachts ab und floh mit ihr in die Berge, wo er lebte. Natürlich wusste er, dass ihr Vater sie verfolgen würde, aber er hoffte, ihm zu entkommen. Nun waren sie etwa auf halbem Weg, als ein Schneesturm von noch nie dagewesener Stärke die Fliehenden überraschte. Sie konnten weder vor noch zurück. Der Gesetzlose liebte die Tochter des Polizisten sehr und so sah er nur eine Möglichkeit: Er tötete das Pferd, das sie bei sich hatten, entfernte die Innereien und hiess seine Geliebte, sich in das tote Pferd zu legen. Er selber setzte sich darauf und hielt in seinen Händen einen langen Stab, um die Stelle zu markieren. Tatsächlich ragte der Stab nach dem  Schneesturm wenige Zentimeter aus dem Schnee heraus und als der Polizist die Verfolgung aufnahm, fand er die Markierung im Schnee. Er begann an dieser Stelle zu graben. Er fand den Liebhaber seiner Tochter steifgefroren auf dem Pferd sitzend und seine Tochter lebendig im Inneren des Pferdes.

Zum Geysir, den wir besuchten (übrigens Namensgeber für alle heissen Springquellen), gibt es ebenfalls eine Geschichte:
Ein Mann in den Bergen lebte davon, dass er Schafe stahl und sie im siedend heissen Wasser des Geysirs kochte. Er wurde nie gefangen, weil er sehr schlau und geschickt war.

Geysir, leider war es bewölkt, daher sieht man die Wasserfontäne nicht sooo gut
Das Wasser sprüht mehrere Meter weit und wenn man im Wind steht, wird man nass 😉
Thomas wurde ein bisschen nass 😉 Das ist halt so, wenn man im Wind steht, wenn der Geysir Wasser spuckt 😀

Die letzte Geschichte handelt von einer Familienfehde:
Zwei Familien lagen im Streit miteinander. Familie B brachte Familie A’s Sohn um, weil sie behaupteten, er stehle Pferde. Daraufhin schwor Familie A Rache. Sie überlisteten den Sohn von Familie B auf dem Feld und köpften ihn. Ein Sklave wurde beauftragt den Kopf zu Familie B zu bringen und ihnen zu zeigen, dass sie Rache genommen hatten. Doch der Sklave zitterte vor Angst, umgebracht zu werden. So liess er den Kopf auf dem Feld fallen und kehrte zu Familie A zurück. Diese glaubten ihm aber nicht, dass er den Kopf überbracht hatte und folterten ihn, bis er die Wahrheit gestand. Der Kopf aber, blieb unauffindbar. Bis vor ungefähr zwei Jahren, als ein Bauer bei der Arbeit auf dem Feld einen Schädel fand. Interessanterweise nur einen Schädel und keine anderen Knochen. Ob die Geschichte wohl wahr ist…?

Ich weiss, die Geschichten sind eher brutal und makaber. In einem kargen und rauhen Land wie Island entwickeln die Menschen einen eher makaberen Sinn für Humor und sind sehr sarkastisch. Das macht aber nichts, ich mag die Leute sehr!

Einmal Boden neu “dekoriert”

Gestern hatten wir das erste Mal ein offenes Haus für Kinder (“opið hús” sprich “opi*th* hus”), aber da wir nicht wirklich Werbung gemacht haben, war nur die Enkelin der Offiziere da. Anscheinend hat Birna nicht sehr viele Kinder erwartet, denn sie hat Klebeband in verschiedenen Farben organisiert und uns beauftragt, den Saalboden mit Spielen für Kinder zu bekleben. Es hat echt Spass gemacht und es war super, die Reaktionen der Leute zu sehen, die den Saal betreten haben 😉 Die allermeisten reagierten positiv und die anderen sagten nichts 😉

Lára in Aktion
Drea mit Klebeband. Wir hatten Spass 😀
Das Endergebnis
Sunna, die Enkelin der Offiziere hat Ludwig zu ihrem Gefangenen im Kissengefängnis gemacht. Schlimm scheints dort nicht zu sein 😉

Heute Mittag war “bæn og matur” (sprich: bäin og *gaaaanz weiches g* matür), was soviel wie “Beten und Essen” bedeutet. Die meisten Teilnehmer waren über 70 und wir haben den Altersdurchschnitt ein bisschen nach unten gezogen 😉 Es war schön, alte Lieder zu singen, die ich zum Teil auf deutsch kannte. Ich habe einfach den isländischen Text zur Melodie gesungen, hat ziemlich gut geklappt. Nach dem Singen und Beten

wurden wir mit einem sehr typischen isländischen Gericht verköstigt. Ich habe leider wieder vergessen, wie die Wurst heisst, aber sie war sehr lecker. Ja, geräucherte Wurst, die gekocht war, hat es gegeben, dazu Kartoffeln, Erbsen und eine süsse Béchamelsauce. Die Kombination war eigenwillig, aber sehr lecker.

Ich habe gestern mit dem Projekt “Lopapeysa” gestartet und hoffe, dass ich ihn vor Weihnachten fertigstellen kann 🙂 Zum Strickclub kamen gestern auch zwei junge Mormonen, die einen Lopapeysa stricken wollen. Sie konnten beide überhaupt nicht stricken, aber es war sehr unterhaltsam. Die beiden jungen Herren sind Amerikaner und seit einem Jahr in Island. Sie sprechen laut Herdís sehr gut isländisch, ich war beeindruckt und ein bisschen neidisch. Naja, es geht voran, ich lerne jeden Tag mehr und kann jetzt einfache Sachen sagen. Zum Beispiel:

“Ég heiti Marie-Louise, ég er frá Sviss og ég er tuttugu og níu  ára.”
-> “Ich heisse Marie-Louise, ich bin aus der Schweiz und bin neunundzwanzig Jahre alt.”

“Ég er að læra islensku, ég tala smá islensku. En ég tala ensku og þýsku.”
-> “Ich lerne isländisch, ich spreche nur wenig isländisch. Aber ich spreche englisch und deutsch.”

“Maturinn er mjög góður.” -> “Das Essen ist sehr gut.”

Und ich kann so nützliche Dinge wie “Du bist eine Giraffe” sagen 😉
“þú er giraffi.” Ja, damit kommt man weit im Leben! 😀

Die Stadt und das “Drumherum”

Mein aktuelles Zuhause ist wunderschön an einem Fjord mit dem klangvollen Namen “Eyjafjörður” gelegen (der Buchstabe ð wird wie ein englisches “th” geprochen, also eigentlich ein gelispeltes S 😉 also wird der Name des Fjords “Eyafjör*th*ür” ausgesprochen). Der Hafen ist sehr nah und eine wichtige Einnahmequelle für Akureyri. Auch der Tourismus spielt eine grosse Rolle. Unser Haus ist das letzte am Eyrarvegur (sprich: Eyrarvegür) und der Ozean ist auf zwei Seiten sehr nah, was ich geniesse 🙂 Auch zu Einkaufsgelegenheiten und zur Heilsarmee sind es nur ein paar Gehminuten. Das ist super praktisch!

Sonnenaufgang über dem Fjord
Das ist unsere Adresse 😉
Unsere Strasse. Rechts hinter dem Baum ist unser Haus zu sehen

Akureyri ist eine kleine Stadt mit ungefähr 18‘000 Einwohnern (etwas grösser als Lyss). Trotzdem ist sie sehr weitläufig und ich habe selten das Gefühl, wirklich in einer Stadt zu sein. Die Häuser sind meistens ein- oder zweistöckig, im Stadtzentrum hat es auch einige höhere Häuser und ich habe sogar zwei Wohnblocks gesehen, aber die sind die absolute Ausnahme. Es hat sehr viele Einfamilienhäuser und fast jedes Haus hat einen Garten. Zwischen den Häusern gibt es viel Grün, Pärke, Bäume, Bäche, Wiesen und Fussballfelder. Die Isländer brauchen Platz und da sie davon reichlich haben, nutzen sie ihn auch 😉 Es ist völlig anders als in der Schweiz, wo verdichtetes Bauen angesagt ist und Zersiedelung zum Problem werden kann. Hier in Island bauen sie grosse Gebäude meistens nur auf zwei Etagen, dafür halt einfach mehr Fläche pro Etage. Ich finde es super, hat es so viel Platz und so viel Grün. Das gibt mir fast das Gefühl, auf dem Land zu leben. Grundsätzlich ist in Akureyri alles zu Fuss machbar, aber es existieren auch öffentliche Busse, die sogar gratis sind! Das finde ich super 🙂 Für längere Strecken lohnt sich der Bus allemal, auch wenn er meistens nur einmal in der Stunde fährt.

Typische Häuser in Akureyri. Es gibt sie in allen erdenklichen Farben
“Hat der Niesen einen Hut…” Nein, natürlich ist es nicht der Niesen! Sieht ihm aber ähnlich
Akureyri von der anderen Seite des Fjords aus gesehen

Ausserhalb der Stadt gibt es ein Skigebiet, das im Winter sehr viele Isländer und auch auswärtige Touristen anlockt. Herdís hat mir erzählt, dass vor allem Schweizer nach Akureyri kommen, um hier Skiferien zu machen. Das Einzigartige am Skigebiet in Akureyri ist, dass man mit den Skis bis zum Ozean herunter fahren kann. Das möchte ich unbedingt mal ausprobieren! Auch sonst gibt es rund um Akureyri viel Sehenswertes.
Heute waren wir mit dem Heimbund von Akureyri unterwegs (in isländisch “Heimilasambandið” genannt, genau so gesprochen wie geschrieben, mit dem englischen “th” am Schluss). Es war interessant, die älteren Damen kennenzulernen, auch wenn es etwas schwierig war, mit ihnen zu kommunizieren, da sie nur isländisch sprechen und wir noch nicht wirklich gut isländisch können… Aber ja, das wird sich geben 🙂
Wir waren in einem Freilichtmuseum mit Café etwa eine halbe Stunde Autofahrt ausserhalb von Akureyri. Hier ein paar Bilder dazu:

Das Schild am Eingang des Muesums “Laufás” wird “Löifaus” ausgesprochen (Foto Herdís)
Im Café wurden wir mit typisch isländischem Kuchen, Tee und Kaffee verköstigt 🙂 (Foto Lára)
Die alten Torfhäuser waren bis 1936 bewohnt. Jetzt sind sie ein Museum, das möglichst naturgetreu gehalten ist
Gruppenfoto vor den historischen Häusern (Foto Herdís)
Die Kirche gleich neben den Häusern. Hier von aussen…
… und von innen.
Drea hat versucht, Schafe zu streicheln…
… aber die Schafe wollten davon nichts wissen 😉

Was sonst noch so läuft

Diese Woche haben wir in die verschiedenen Aktivitäten reingeschnuppert, die in der Heilsarmee Akureyri angeboten werden. Unter anderem haben wir den Strickclub, die Jugendgruppe und den Gospelchor besucht. Der Chor war seeeehr informell 😉 Wir haben einfach drauflosgesungen. Trotzdem hat es erstaunlich gut geklungen! 😀 Ich war echt überrascht! Es hat ein paar super Sänger dabei und wirklich niemanden, der die Töne überhaupt nicht trifft. Ich habe mich dem Alt angeschlossen, aber manchmal ist sogar die Altstimme zu hoch, dann singe ich halt Tenor 😉 Die Aufteilung der Stimmen war eh nicht wirklich kommunziert. Während dem Singen habe ich gemerkt, dass Herdís Alt singt und habe ein wenig bei ihr “abgehört”. Einen “richtigen” Tenor gibt es leider nicht, der einzige Mann, der am Donnerstag dabei war, singt einfach die Sopranstimme eine Oktave tiefer. Aber wie gesagt, es klingt wirklich gut! 😀
Die Chorleiterin ist Estin und Profimusikerin, sie spielt quasi jedes Instrument und ist auch Gesangslehrerin an der Musikschule Akureyri. Ihr Mann, nicht minder begabt, begleitet uns am Klavier. Es ist unglaublich faszinierend, ihm beim Spielen zu zuschauen (und zu hören)! Er kann aus jedem noch so langweiligen Lied ein wunderschönes Stück machen 😀  Er holt alles aus dem Flügel in der Heilsarmee heraus! Ich freue mich schon, ihn heute Abend im Gottesdienst wieder zu hören 🙂 Allerdings darf ich mich nicht zu stark ablenken lassen, schliesslich haben wir am Donnerstag für heute geprobt, das heisst, ich stehe im Chor auf der Bühne… Manche der Lieder sind in isländischer Sprache und daher für mich nicht ganz so eingängig, aber wir werden das schon hinkriegen 😉

Am Freitag war unser freier Tag diese Woche. Normalerweise ist er am Samstag, aber weil diese Woche das Grillfest war, hatten wir den freien Tag am Freitag. Passt, oder? 😉 Ich habe laaaaange ausgeschlafen und dann etwas Papierkram erledigt. Ja, stell dir vor, das muss ich leider auch in Island… War aber nicht so schlimm. Am Nachmittag haben wir uns geschlossen zum Coiffeur aufgemacht, um Lára moralisch zu unterstützen, die sich die Haare schneiden lassen wollte. Auch Láras beste Freundin Agnethe war dabei. Sie wohnt in Akureyri und kommt uns ab und zu besuchen. Lára wollte sich schon lange die Haare schneiden lassen, traute sich aber nie so richtig. Wir haben sie ermutigt, es auszuprobieren und sie ist mit dem Ergebnis sehr zufrieden 🙂

Lára vorher…
… und nachher! 🙂

Der neue Haarschnitt wurde gebührend mit Glace gefeiert! 😀 Anschliessend besuchten wir das Schwimmbad, „heitturpottur“ (sprich: heyhtürpohtür, jaaa, da ist jeweils ein H vor dem T… Und zwar werden die gesprochen und verlängern nicht etwa die Vokale davor! Etwas, das nicht ganz einfach ist) genannt, in Akureyri. Man kann sich das wie ein Hallenbad vorstellen, einfach ohne Halle 😉 Der Boden ist fast überall gefliest oder betoniert, es hat verschiedene Becken für Schwimmer und Nichtschwimmer, Sitzbecken, Kinderschwimmbecken und Wasserrutschen. Und, ganz wichtig: Das Wasser ist warm, da es aus den heissen Quellen stammt. Die Becken haben verschiedene Temperaturen. Von 36°C bis 40°C in den warmen Sitzbecken, das Schwimmerbecken war eher kühl (ich würde schätzen so 25°C), ebenso das Becken wo man nach den Wasserrutschen landet. Dazu hatte es noch ein kaltes Becken, mit Wassertemperaturen um 4°C herum. Brrrrr… Dieses haben wir noch nicht ausprobiert. Aber Siggi, der Jugendleiter in der Heilsarmee sagt, dass es sehr gut für den Kreislauf sei. Mal schauen, ob ich mich traue.

Grillparty für die Nachbaren

Heute hatten wir eine Grillparty für die Nachbaren. Wir sollten um 12:00 in der Heilsarmee sein, um bei den Vorbereitungen zu helfen, hatten aber zwei verschiedene Zeiten auf unserem Plan. Daher gingen wir um 10:00 und waren zwei Stunden zu früh da… Nicht so schlimm. Ich habe die Zeit genutzt, um mit Mäti zu telefonieren und ein Strickmuster für meinen “Lopapeysa” (isländischer Wollpullover) auszuwählen. Jetzt weiss ich wenigestens, welchen ich stricken will 🙂
Um 12:00 kamen dann Herdís, Aron, Birna und Hannes und wir begannen mit den Vorbereitungen.

Vorbereiten für die Grillparty
Wir sind bereit für die Gäste!

    Die Heilsarmee war auch aussen geschmückt. In der Tür steht Aron, Herdís’ Mann

Für die Grillparty haben wir am Mittwoch und Donnerstag Flyer verteilt. Ich war zuerst etwas unsicher, wie ich mich den Leuten gegenüber verhalten soll, da ich kein isländisch spreche, aber das war ziemlich unbegründet. Die meisten sprechen englisch und ich habe noch ein paar neue Sätze gelernt. Hier eine kleine Kostprobe:
“Viltu blöðru?” -> “Willst du einen Ballon?”
“Já takk!” -> “Ja, gerne!”
“Hvita eða rauða?” -> “Weiss oder rot?”
Mit diesen einfachen Sätzen hat Drea Ballons an die Kinder verteilt. Es hat Spass gemacht!
Dazu habe ich noch gelernt, dass der Wunsch, den man in Island zu jemandem sagt, der niesst, aus dem Mittelalter stammt. Es war eine Pestepidemie auf der Insel und niessen war anscheinend eines der ersten Zeichen einer Ansteckung. Daher sagen die Isländer  “Guð hjálpi þér!” (“Gott helfe dir!”).
Alles in allem war es ein sehr gelungenes Fest! Es kamen viele Leute aus der Nachbarschaft, insgesamt waren ca. 70 Leute da. Darunter viele Kinder 🙂 Lustig fand ich, dass sie es “Grillparty” nennen, aber “nur” Hotdogs servieren 😉 Es waren typisch isländische Hotdogs, auf dem Grill gebraten, aber trotzdem fand ich es irgendwie witzig 😀

Aufräumen

Die Heilsarmee in Akureyri hat viel Platz, der jetzt hoffentlich umgenutzt werden soll. Ein Teil des Gebäudes war ein riesiger Abstellraum. Wir haben diesen geräumt und einen Transporter voll entsorgt. Einiges ging zu Hertex (Brocki in Island) und was sie behalten, wurde ordentlich in Regale und Kisten geräumt. Im Obergeschoss haben wir einen Raum, der als Dynamo-Raum fungiert. Wir dürfen diesen gestalten und für uns nutzen. Nun hatte es dort oben ein uuuuraltes Sofa und einen Schreibtisch, die wir nicht wollten. Den Schreibtisch hat Hannes gleich an Ort und Stelle auseinandergerissen (anders kann man das fast nicht ausdrücken, dieser Mann hat echt Kraft!) und dann entsorgt. Das Sofa haben wir auf kreative Weise zum Fenster raus, auf das Dach und von dort auf den Platz „befördert“ 😉

Viiiiiel Gerümpel…
Das kommt alles weg. Der Transporter war fast voll
Sieht schon ein bisschen besser aus
Das Dynamo-Team vor dem Transporter nachdem er wieder leer war (Foto Hannes)

Am selben Abend erlebten wir das erste Mal einen Jugendgruppenabend in Akureyri. Zuerst gingen wir in der Nachbarschaft von Haus zu Haus und verteilten Einladungen zu einer Grillparty am Samstag. Ich machte es nicht gerne, weil ich mich wie als Eindringling in die Privatsphäre dieser Leute fühlte. Aber ich glaube es war gut, dass wir es gemacht haben. Schliesslich wollen wir die Hotdogs nicht alle selber essen 😉
Danach haben wir noch Spiele gemacht und viel gelacht. Hannes hat eine Andacht in isländisch gehalten und ich habe quasi gar nichts verstanden. Mann! Ich möchte gerne diese Sprache sprechen, ich möchte mit den Leuten in ihrer Sprache kommunizieren können! Leider hat mir das bisschen isländisch, das ich bis jetzt gelernt habe, noch nicht sehr weit geholfen. Ich arbeite weiter daran 🙂

Spiele am Boden. Sogar die “älteren Männer” Hannes und Siggi haben mitgemacht 🙂

Das Haus

Schon kurz nach der Ankunft in unserem Zuhause war ich hin und weg! Es ist eher klein und alt, aber soooo super! Wir haben alle ein eigenes Zimmer, ein Badzimmer und eine Wohnküche. Im Gang steht ein Sofa, vis à vis davon hängt ein Fernseher an der Wand. Beim Eingang ist eine Art Garderobe und eine Waschmaschine. Das Haus ist einstöckig und hat wahnsinnig viel Charme und Charakter. Ich liebe es, hier zu wohnen!

Unser Haus von aussen. Es steht noch ziemlich viel “Gerümpel” vor dem Eingang, da die Eigentümer erst gerade das Gartenhaus verkauft haben. Das kommt aber noch weg.
Gartenbeete vorne rechts neben dem Haus mit Erdbeeren, Kartoffeln, Grünkohl, Rhabarbern und vielleicht noch anderen Pflanzen? Meine Gartenkenntisse sind sehr beschränkt…
Der Eingangsbereich. Unten links sieht man einen Teil der Waschmaschine
Es ist mehr eine Sofaecke als ein Wohnzimmer, aber wir fühlen uns wohl hier
Mein Zimmer
Danke viel mal für den Kalender!! Er hat einen Ehrenplatz in meinem Zimmer 🙂
Láras Zimmer. Sie hat ein riesiges Bild vom Matterhorn in ihrem Zimmer 😀
Dreas Zimmer, sie hat das kleinste.
Das Badzimmer
Der Essbereich mit grossem Tisch
Die Küche, wo Drea gerade am Werk ist
Wenn man zwischen Küche und Esstisch raus geht, kommt man auf einen Balkon. Wir haben sogar einen Grill!
Sicht vom Balkon auf das Baumhaus und den Garten. Die Treppe zum Baumhaus ist nicht für Erwachsene gedacht 😉
Da hat Ludwig es gerade geschafft, die kleine Schlüsselbox neben der Tür zu öffnen, nachdem wir alle mehrer Male probiert haben. Es wäre eigentlich ein gutes System, da wir momentan nur einen Schlüssel zum Haus haben. Aber manchmal spinnt der Schliessmechanismus der Schlüsselbox und wir schaffen es nur mit viiiiiielen Anläufen, sie zu öffnen. Das ist eher unpraktisch wenn es draussen regnet und man keine Jacke dabei hat, so wie ich am Dienstag…

Von Ludwigs Zimmer habe ich kein Foto, da sein Zimmer entweder in Dunkelheit oder im Chaos versinkt… Ich denke mir nur, er muss sich darin wohl fühlen, nicht ich 😉