Die Luft ist klirrend kalt und die Tage werden kürzer und kürzer. Im Laufe der letzten Woche und Tage sind in mehr und mehr Häusern Weihnachtsbeleuchtungen erschienen. Auch wir haben dekoriert. 🙂 Ich mag den Advent! Es ist eine schöne Zeit mit vielen kleinen Lichtern und Freuden.
Für mich hat der Advent einen bittersüssen Geschmack bekommen. Ich mag diese Zeit, weil ich viele schöne Erinnerungen und Erlebnisse habe und weil ich so dankbar bin, dass der ewige Gott sich klein gemacht hat und in Form eines Babys in unsere Welt gekommen ist. Gleichzeitig arbeite ich nun “am Puls der Armut”. Wir sehen und hören von vielen Menschen, die sich vor Weihnachten fürchten, weil sie nicht genug Geld haben, um ihren Lieben ein feines Weihnachtsessen zu ermöglichen, geschweige denn Geschenke zu kaufen.
Die Inflation und die hohen Strom- und Lebensmittelpreise sind nicht spurlos an Norwegen vorbei gegangen. Mehr und mehr Leute können sich trotz 100% Arbeit kaum über Wasser halten. Das ist traurig. Nicht alle, die bei uns Hilfe suchen sind sogenannte “Working Poor”. Es kommen Leuten in verschiedenen Altersgruppen, mit verschiednen Vorgeschichten und unterschiedlichen Bedürfnissen. Und natürlich kommen auch solche, die eigentlich keine Hilfe bräuchten, aber es praktisch finden, dass man bei der Heilsarmee etwas gratis erhalten kann.
Ich habe Beispiele von beiden Enden des Spektrums erlebt. Das eine war ein Mann der kam, um ein Gesuch auszufüllen. Als er fertig war, sah ich, dass er in der Nachbarstadt wohnt. Ich habe ihm erklärt, dass er Hilfe in dieser Stadt beantragen muss. Er wollte es mir zuerst nicht glauben und sagte, dass diese keine Hilfe anbieten würden. Praktisch, dass wir hier so gut vernetzt sind! Ich habe den Offizier in dieser Stadt angerufen und er hat mir bestätigt, dass es möglich ist bei ihnen Hilfe zu beantragen. Als er gehen wollte, fragte er ob er nicht eine Tasche mit Lebensmitteln mitnehmen könnten. Ich hätte da “nein” sagen sollen, da wir die Lebensmittelabgabe mittwochs haben und es ziemlich aufwändig ist, ausserhalb der Abgabe Lebensmittel zu packen. Ich muss noch besser lernen “nein” zu sagen.
Das andere Beispiel ist eine Frau, die sich bei uns per mail gemeldet hat und sehr verzweifelt klang. Sie war sehr unsicher, ob sie genug Geld haben würde, um an Weihnachten überhaupt etwas kochen zu können. Als ich ihr versichert hatte, dass sie einen Geschenkgutschein von uns erhält, schrieb sie, dass sie gerade ein paar Freudentränen geweint hatte und ihr einen grossen Stein vom Herz gefallen sei. Sie konnte kaum aufhören zu danken.
Unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Schicksalen kommen zu uns und ich bin oft sehr dankbar dafür, dass wir helfen dürfen. Auch wenn vielleicht nicht alle die Hilfe benötigen, die wir ihnen geben. Dieses Risiko gehen wir ein. Es ist besser einer Person zu helfen, obwohl diese es nicht bräuchte, als zu streng zu sein und einer Person nicht zu helfen, die es bräuchte. Das ist auf jeden Fall unsere Einstellung.
Wir haben in Sandnes nicht die Kapazität, jedes Gesuch gründlich zu untersuchen und abzwägen, ob diese Person wirklich Hilfe benötigt. Aber unser System funktioniert im Grossen und Ganzen gut.
Ja, was ist es eigentlich, das wir tun? In Norwegen haben wir eine Ordnung, die “Weihnachtshilfe” heisst. Die allermeisten Korps bieten dies an. Da füllt eine Person für sich und seine Familie ein Gesuch aus und legt eine Aufenthaltsbescheinigung bei. Diese brauchen wir, weil wir unsere Hilfe auf ein gewisses Gebiet begrenzen. Wie im ersten Beispiel gezeigt, kommt es vor, dass Leute es an verschiedenen Orten versuchen. Könnte ja sein, dass man in mehr als einer Stadt Hilfe erhalten kann?
Wenn die Gesuche ausgefüllt sind (die Frist war am 1. Dezember, aber es kommen sicher noch einige Nachzügler), kategorisieren wir sie in Gruppen. Die erste Gruppe sind Haushalte mit einer oder zwei Personen, die zweite drei bis fünf Personen und die letzte sechs oder mehr. Was die Leute erhalten, die ein Gesuch ausgefüllt haben ist unterschiedlich. Bei uns erhalten sie dieses Jahr einen Geschenkgutschein für ein Lebensmittelgeschäft und Familien mit Kindern unter 18 Jahren bekommen auch ein Geschenk pro Kind. In anderen Städten erhalten alle eine Lebensmittelkiste und Geschenke für die Kinder. Diese zwei Möglichkeiten sind die häufigsten.
Wie viel Geld auf so einer Geschenkkarte drauf ist, ist auch von Ort zu Ort verschieden. Wir in Sandnes haben uns auf diese drei Gruppen geeinigt, die jeweils einen bestimmten Betrag erhalten.
Die letzten Wochen, aber vor allem die letzten paar Tage waren sehr voll mit Arbeit. Unsere freie Montage mussten in letzter Zeit leider der Arbeit weichen, sonst wären wir ertrunken. Aber dieses Wochenende haben Siggi und ich frei! Gestern haben wir das Winterland im Zentrum von Sandnes besucht und mit unserer Weihnachtstradition begonnen: geräucherter Lachs auf Toast mit Senfsauce und dem isländischen Weihnachtsgetränk “Malt og Appelsín”.
Heute genossen wir den Tag in der Sauna und haben einen norwegischen Weihnachtsfilm geschaut. 🙂 Es war ein super Wochenende und ich glaube, ich bin bereit für drei Wochen Arbeit, bis Heilig Abend vor der Tür steht.
Ja, es tat richtig gut, ein ganzes Wochenende auszuspannen! Aber bald geht es wieder los und am Montag in einer Woche haben wir unsere Prüfung… Auf diese freue ich mich gar nicht. Und natürlich haben wir auch Topfkollekte, die hat bereits gestartet und ist an jedem Tag ausgenommen Sonntage bis zum 23. Dezember. Da gibt es auch für uns noch genug zu tun!