In diesen Tagen bereiten Siggi und ich je eine Andacht für die Leute im Korps vor. Wir wollen uns die nächsten Wochen näher mit dem “Vaterunser”-Gebet befassen, und es Satz für Satz in unseren wöchentlichen Treffen anschauen. Das heisst, sobald wir wieder mehr als 10 Personen an öffentlichen Veranstaltungen sein dürfen.
Die meisten dieser Andachten wird Janne vorbereiten und halten. Siggi und ich haben je einen Satz ausgwählt, zu dem wir eine Andacht vorbereiten wollen. Ich habe mich für “Gib uns heute unser tägliches Brot” entschieden und bereits ein wenig vorbereitet. Meine Andacht ist noch längstens nicht fertig, aber ich teile hier mal ein paar meiner Gedanken mit dir.
Dieser Satz hat so viele Facetten. Was bedeutet er in unserer heutigen Überflussgesellschaft? Brauchen wir das noch zu beten, wo wir doch “unsere Brötchen” selber verdienen? Ich bin der Überzeugung, dass dieses Gebet und somit auch der Satz, den ich ausgewählt habe, brandaktuell sind.
Ja, wir leben in einer Überflussgesellschaft und wir merken oft gar nicht, wie gut es uns geht. Wir fragen uns oft WAS wir essen könnten und nicht OB. Doch “Brot” steht in diesem Gebet nicht nur für Nahrung. Es steht für alles, was wir brauchen und zwar genau so viel wie wir brauchen. Ich will mich ganz von Gott abhängig machen. In dem was ich täglich brauche und auch in dem was die Zukunft bringt. Er kennt mich durch und durch und weiss eh viel besser als ich, was ich brauche.
Das, was ich brauche ist aber nicht notwendigerweise auch das, was ich will. Es ist sogar sehr oft nicht das, was ich will. In meiner Familie haben wir immer vor dem Essen gesungen. Und ein Tischlied, welches wir oft sangen, hat folgenden Text: “Mir danke dir, Herr Jesus Christ, dass du üs wieder z’Ässe gisch. Du gisch nid immer was mer wei, doch immer was mer nötig hei. Drum danke mir dir! Amen.” Nicht immer war das Essen auf dem Tisch genau das, was ich wollte, aber ich wurde immer satt und musste nie hungrig ins Bett.
Und dieser Gedanke bringt mich zu einer globalen Perspektive des Satzes “Gib uns heute unser tägliches Brot.” Es heisst ja nicht, “Gib MIR” sondern “Gib UNS”. Und dieses “uns” ist auch nicht nur meine Lieben und ich, sondern alle Menschen. Nicht alle dürfen sich satt essen und nicht alle haben das, was sie zum täglichen Leben brauchen. Erschreckend viele sind es nämlich, denen es schlecht bis sehr schlecht geht, jetzt mal materiell gesehen.
Aber oft scheinen uns diese Menschen weit weg und es ist schwierig für uns, uns mit ihren Schicksalen zu identifizieren. Darum mag ich die Fastenzeit. Ganz bewusst auf etwas zu verzichten und sich nicht immer alles zu gönnen, kann unsere Sicht auf das, was wir wirklich brauchen, verändern. Trotzdem ist es für uns in den reichen Industrieländern schwierig, wirklich zu verstehen, was es bedeutet, “das tägliche Brot” nicht zu bekommen. Und ich bin der Überzeugung, dass wir eine Verantwortung diesen Menschen gegenüber haben. Auch wenn wir nicht nur in Afrika oder Asien suchen müssen, um Menschen in Not zu finden. Sie leben genauso mitten unter uns, mitten in unserer Überflussgesellschaft.
Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, diese Verantwortung wahrzunehmen und ich will nicht die eine hochjubeln und die andere verachten. Das Wichtigste ist, dass wir die Verantwortung in der einen oder anderen Weise wahrnehmen und uns nicht davor drücken oder sie abschieben. Jeder von uns kann etwas verändern! Und wenn du jetzt denkst, dass das, was du tun kannst, doch nur einen Tropfen auf den heissen Stein ist, dann halte dir vor Augen, dass viele Tropfen zusammen einen ganzen Ozean ergeben, überhaupt kein Tropfen aber eine Wüste.